SIGGI STERN als SONGWRITER IN RESIDENCE
Der Hildesheimer Liedermacher Siggi Stern interessiert sich sehr für Orte und ihre Geschichten. Bereits 2005 nahm er mit einem „ortsbezogenen Songwriting“ an Bernhard Karlowitz‘ Ausstellung „Malerei in, um, von, nach, mit Heilbronn“ teil. Als musikalischer Gast vor Ort schrieb er innerhalb einer Woche fünf Lieder für Heilbronn, und zwar zu Begriffen, die im Vorfeld von der Bevölkerung eingereicht wurden. So entstand z.B. zur Einsendung „Goetheblick vom Wartberg“ ein musikalisches Update zu Johann Wolfgang von Goethes Tagebucheintrag vom 28. August 1797, in dem dieser seinen Besuch in Heilbronn beschreibt. Das Lied schildert die Aussicht vom Wartturm auf die Stadt, die auch Goethe festgehalten hat, nur eben über 200 Jahre später. Der Song zeigt exemplarisch wie der Texter Siggi Stern mit Zitaten bzw. Fundstücken arbeitet. Der Anfang stammt von Goethe selbst, der Schluss von Bob Dylan und dazwischen Sprüche, die andere Besucher mit Edding und Kugelschreiber auf den Turmwänden hinterlassen haben. Dadurch entstehen zeitlose Momentaufnahmen, die das Allgemeine im Besonderen sichtbar werden lassen.
2011 lud das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia Siggi Stern für ein zweites „ortsbezogenes Songwriting“ nach Bamberg ein. Auch hier konnten sich alle BürgerInnen daran beteiligen und im Vorfeld ihre Bamberger Begriffe, also Orte, Personen, Gerichte, Ereignisse usw., die ihnen ein Lied wert sind, mit einer kurzen Erläuterung einsenden. Vom 11. bis 17. Juli war Siggi Stern dann zu Gast in der Villa Concordia. Aus 40 Einsendungen hat er fünf Begriffe ausgewählt und diese während einer Woche zu Liedern verarbeitet. Am Samstag, 16. Juli hat er die fünf neuen Bamberg-Songs bei einem Abschlusskonzert live im Morph Club neben seinem sonstigen Repertoire vorgestellt. Der Neubau von drei Brücken über den Main-Donau-Kanal, inklusive Kostenexplosion und Bürgerprotesten, war ein bestimmendes Thema in der Stadt. So war es nicht verwunderlich, dass eine Einsenderin sich einen „Brücken Blues“ wünschte. Anstatt einfach nur über Kommunalpolitik zu singen, greift Siggi Stern zusätzlich die neue Tradition des Anbringens von Liebesschlössern am Geländer der Kettenbrücke auf. Sein melancholischer Song „Per Sempre – Für Immer“ erzählt also ebenso von städtebaulichen Veränderungen wie von Liebe im Fluß. Schließlich geht es für Siggi Stern immer darum, aus einer vorgefundenen Geschichte seine eigene zu machen, also Bilder zu finden, die einen selbst, und damit auch andere, berühren. Die weiteren vier Lieder von Bamberg handeln vom Flirt mit einer Bronzeplastik von Fernando Botero, beschreiben das Regnitzbad „auf eigene Gefahr“, greifen eine alte Gerichtsakte von 1454 wieder auf oder vertonen die an sich schon poetische Einsendung „Bruderwaldschatten hinterm Bierkrugweg“. Die Musik reicht hierbei vom sommerlichen Folkpop über die rockige Ballade bis zum gezupften Schunkelwalzer.
Auch in Zukunft möchte Siggi Stern das Projekt „Lieder vor Ort“ weiterführen. Auf Einladung gastiert er eine Woche als Songwriter in Residence bzw. musikalischer Stadtschreiber. In dieser Zeit schreibt er „im Auftrag“ (z.B. der Dorf- oder StadtbewohnerInnen) fünf Lieder und präsentiert sie anschließend bei einem Abschlusskonzert. Gerne bringt er dafür seine Begleitband „Die Nachbarschaftshilfe“ mit, bezieht lokale KünstlerInnen und Initiativen ein oder macht mit seinem mobilen Studio direkt vor Ort einen Live-Mitschnitt.